Schulbücher der Zukunft: Fusion aus analog und digital
Wie wird sich der zunehmend digitale Unterricht in Zukunft entwickeln? Wird es noch Schulbücher geben? Wie werden sie aussehen? Wie werden Schülerinnen und Schüler in Zukunft lernen? Was für eine Rolle werden die Lehrerinnen und Lehrer spielen? All das sind Fragen die uns Unterrichtende beschäftigen. In diesem Artikel möchte ich einmal die Zukunft des Schulbuchs näher unter die Lupe nehmen.
Das typische Schulbuch
Digitalisierung hin oder her, aber Schulbücher sind eben immer noch aus Papier und Karton. Natürlich haben sich die Inhalte modernisiert, heute gibt es Comics, Fotos, viel Farbe und ein modernes Layout, viele beinhalten auch eine CD oder eine Webseite mit Extramaterialien, aber das Konzept ist immer noch wie eh und je, der Lehrer erklärt, die Schüler lesen und lösen Übungen, der Lehrer korrigiert etc. Die Themen im Schulbuch sind gegeben und je nach Initiative der Lehrpersonen wird noch ein Arbeitsblatt oder ein Text dazugegeben. Natürlich ist Individualisierung schon lange ein Thema, aber im Grossen und Ganzen beschränkt es sich darauf den Schnellen ein paar Extraübungen zu geben und den Langsamen einige zu erlassen. Die Übungen beanspruchen viel Papier, das entweder die Lehrkraft in stundenlanger Arbeit redigieren muss oder das mit den Schülern in wertvoller Unterrichtszeit gemeinsam korrigiert wird.
Das digitale flexible Schulbuch: Verschiedene Wege zum selben Ziel
Mit den neuen digitalen Möglichkeiten ist eine ganz neue Lernerfahrung möglich. Natürlich braucht es auch in Zukunft ein Prüfungsziel auf das man hinarbeitet und das möglichst alle Schüler erreichen sollten. In meinem Fall als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache ist das Ziel Ende der 6. Klasse die A2 Prüfung „Auf dem Weg zum Sprachdiplom“. Das bedeutet, dass man die 18 Wortschatzfelder, welche diese Prüfung verlangt, während der 1. bis 6. Klasse mehrmals aber mit zunehmendem Umfang behandelt. Dazu kommen die nötigen Grammatikkenntnisse, die Hör-, Sprech-, Lese-, und Schreibfertigkeiten. Mit dem neuen digitalen Ansatz habe ich nun aber eine grössere Flexibilität in der Themenwahl. Wenn meine deutsch lernenden Schülerinnen und Schüler aus Peru kommen interessiert sie wahrscheinlich mehr warum einen Gruppe von Österreichern und Deutschen mitten im peruanischen Dschungel eine Kolonie gründeten und bis heute dort noch einige Deutsch sprechen. Eine Klasse im Süden von Argentinien interessiert sich wahrscheinlich sehr was deutsche Wissenschaftler zur Gletscherforschung beigetragen haben. Selbst Deutschlernende in Europa werden motivierter sein, wenn sie einen Text über die eigene Stadt lesen können als irgendeinen über ein Thema weit weg. Die lokale Verankerung motiviert die Lernenden. Schon heute gibt es verschiedene Ausgaben vom selben Lehrmittel, angepasst an verschiedene Bundesländer. Mit der Digitalisierung wird sich aber die Anpassung weiterführen lassen und das ohne grossen Aufwand.
Die neue Rolle der Schülerinnen und Schüler
Schülerinnen und Schüler sind in grossen Teilen ihrer Unterrichtszeit Konsumenten. Sie sitzen da und hören zu und geben wieder. Selten machen die Lernenden selber Übungen für andere. Mit dem didaktis exercise framework (DEF) wäre aber gerade das sehr einfach. Z.B. wird ein neuer Text über meine Stadt gelesen. Es gibt neuen Wortschatz: Eine Schülergruppe bildet sich und schreibt sich die unbekannten Vokabeln heraus und macht eine Übung daraus (z.B. Multiple Choice, Lückentext, Rätsel etc.). Mit dem DEF machen sie das innert Minuten und stellen die Übung online. Eine zweite Gruppe behandelt die Grammatik des Texts und macht ebenfalls Onlineübungen daraus. Die Schülerinnen und Schüler werden zu Produzenten von eigenem Content. Die Onlineübungen werden später alle lösen. Dazu entsteht eine soziale Dynamik, denn alle möchten wissen, was die anderen gemacht haben.
Auch die Individualisierung für Lernende kann auf ganz neue Ebenen gebracht werden. Anfangs Schuljahr machen die Schüler einen Onlinetest, der diese einem bestimmten Lerntyp zuordnen kann. Z.B. eher visuell oder eher auditiv, Fähigkeiten der Auffassungsgabe etc. die Resultate werden gespeichert und künftig wird der Computer Übungen auswählen, die speziell auf diesen Lerntyp zugeschnitten sind, damit die Lernenden schnelle Erfolge verbuchen können und die Motivation hoch bleibt. Nach und nach bekommen die Schüler schwierigere Übungen, bis sie das Thema beherrschen. Da die Lernenden die meisten Übungen online lösen, haben sie auch gleich eine unmittelbare Korrektur auf ihre Antwort: Sie können sich schneller verbessern.
Die Rolle der Lehrperson
Die grösste positive Veränderung für die Lehrkräfte ist der Korrekturaufwand. Die Onlineübungen sind selbstkorrigierend. Langweilige monotone Korrekturen von Arbeitsblättern entfallen. Natürlich werden sie auch in Zukunft noch längere von Hand geschriebene Texte korrigieren müssen, doch diese Arbeit ist weit interessanter und anspruchsvoller als die Korrektur von richtig oder falsch. Ein neuer Bereich wird die Analyse der Resultate seiner Klasse. Die Lehrkraft muss die Statistiken der Onlineübungen interpretieren können, ggf. selber Übungen nachreichen entweder individuell oder für die ganze Klasse. Dann wird die Lehrperson vermehrt selber wieder zum Produzenten: Sie muss Themen aufbereiten, die einen lokalen Bezug haben und auch zum Lehrplan passen. Mit zunehmendem Umfang des DEF können die Unterrichtenden auf einen stets wachsenden Fundus an Materialien zurückgreifen.
Ein Blick in die Zukunft
Selbstkorrigierende Onlineübungen gibt es schon heute, aber sie sind aufwändig zu machen und erfordern oft informatisches Fachwissen. Das didaktis exercise framework gibt es erst als Konzept, aber es soll das Erstellen und Produzieren von Onlineübungen radikal vereinfachen. Werden die Schulbücher damit verschwinden? Nein, sicher nicht, aber sie werden anders aussehen. Ein Deutschbuch wird vielleicht nur noch ein Heft sein, wo nur wenige Texte, die Grammatik und ein paar grundsätzliche Übungen drin sind. Der Rest wird mit individualisierten Übungen am Computer gelöst. Wird den Lehrmittelverlagen die Arbeit ausgehen? Auch das wird nicht geschehen, Schulen und Lehrkräfte werden auch in Zukunft nicht alle Inhalte selber entwickeln können. Die Lehrmittelverlage werden aber vermehrt digitale Übungen anbieten.
Das didaktis exercise framework soll frei sein, deshalb soll der Code unter einer opensource Lizenz stehen, jeder der möchte kann weitere Funktionen entwickeln. Trotzdem heisst opensource nicht zwingend gratis. Lehrmittelverlage, Schulen oder Einzelpersonen können kostenpflichtigen Content anbieten. Wir suchen derzeit Verlage, Firmen, Schulen oder andere Sponsoren, welche helfen die Kernfunktionenen von DEF zu entwickeln. Interessierte können sich gerne bei mir melden: miwalder@gmail.com.
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