Software, die versteckte Preistreiberin

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Über 14 Milliarden Franken zahlen alle in der Schweiz wohnhaften Personen für Dienste, Hard- und Software im Kommunikationsbereich und den Informationsdiensten, das sind über 3500 Franken pro Haushalt. Welche Auswirkungen hat das und was gäbe es für Alternativen?

Wenn wir von Teuerung reden, denken wir an steigende Krankenkassenprämien, höhere Energiepreise und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Heiz- und Transportkosten, sowie die verteuerten Lebensmittel. Was ist aber mit Software und Hardware? Viele Produkte sind in den letzten Jahren teurer geworden und das nicht zu gering. Ganz egal was ich kaufe, in jedem Produkt ist die dazu benötigte Software und Hardware eingepreist. Ganz egal, ob ich ein Kilo Äpfel beim Bauern im Hofladen oder ein Brot in der Bäckerei kaufe: Das Officepaket, die Androidlizenz, das Cloudabo der Herstellenden und viele weitere Dienstleistungen bezahle ich gleich mit. Zugegeben, das sind kleine Beträge, weil sie aber in allen Produkten stecken summiert sich das auf 14 Milliarden Franken pro Jahr! Der überwiegende Teil dieses Betrags bleibt nicht in der Schweiz, sondern fliesst in die Taschen grosser Techfirmen von Apple, Amazon, Google, Cisco, SAP etc.

Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft

Das Bewusstsein für die enormen Kosten und die damit verbundene Abhängigkeit scheint weder in der Politik noch in der Gesellschaft angekommen zu sein. Dabei sind die Zahlen öffentlich einsehbar, die Schweizerische Nationalbank veröffentlicht diese auf ihrem Datenportal https://data.snb.ch/de. Neben dem finanziellen Verlust resultiert daraus auch eine enorme Abhängigkeit: nicht auszudenken, wenn ein grosser Clouddienst einmal schweizweit oder europaweit ausfällt. Es würden Lebensmittel in den Lagern stehenbleiben, weil man nicht weiss, wo sie hingeliefert werden müssen, sofern man sie im Lager überhaupt noch findet. Läden müssten schliessen, weil die Kassen nicht mehr funktionieren etc. Die Abhängigkeit nimmt auch nicht ab, sondern jedes Jahr zu. Immer mehr Firmen lagern ihre Dienste zu Cloudanbietern aus und «sparen» damit eigene Infrastrukturkosten. Die Abhängigkeit führt auch dazu, dass wir leicht erpressbar geworden sind, gut denkbar, dass Datenschutzgesetze in Zukunft nicht mehr im Parlament beschlossen, sondern von grossen Firmen diktiert werden.

Dass es auch anders geht, beweist die Stadt Köln und die Uni Duisburg: Sie setzten auf Open-Source und sparen nach eigenen Angaben einen sechsstelligen Betrag (Beitrag s. Quellen).

Nicht genug mit dem einhergehenden Verlust der digitalen Unabhängigkeit, wir zementieren diese auch noch aktiv und nachhaltig. Eine Schule nach der anderen wechselt zu Office 365 (derzeit schon über 1000 schweizweit!) und fixiert eine ganze folgende Generation auf ein einziges Produkt. Dürfte man in Schulen nur noch Stifte und Farben einer einzigen Marke verwenden, wäre die Empörung gross, übertragen auf Software scheint das aber niemanden zu stören.

Ein Blick auf die Zahlen

In den Statistiken der SNB werden Lizenzgebühren für Software nicht speziell ausgewiesen, es ist daher nicht möglich einen speziellen Blick auf diesen Bereich zu werfen. Betrachten wir aber den ganzen Bereich Lizenzgebühren, der auch Medikamentenlizenzen, Patente, Markenrechte und anderes enthält, erhalten wir doch einen deutlichen Einblick: Erwirtschaftet die Schweiz bis 2019 noch einen positiven Saldo in diesem Bereich vor allem mit der EU, so stürzt die Kurve ab 2020 regelrecht ab und landet mit 12 Mia im Minus. Die Kurve erholt sich in den kommenden Jahren nur unwesentlich. Zum Ereignis, das dafür verantwortlich war, konnte ich keine eindeutigen Erklärungen finden. Mögliche Gründe könnten die Auswirkungen der Covid-Pandemie, Verkäufe und Wegzüge von Firmen sein.

Auch im Bereich Telekommunikation, Computer und Informationsdienste steht die Bilanz tief im Minus, das ist hier auch wenig verwunderlich, da wir in der Schweiz praktisch vollständig von Importen abhängen.

Auch hier resultiert ein Minus von 4 Mia Franken im Jahr 2022. Insgesamt flossen aus der Schweiz im Jahre 2022 rund 14 Mia Franken alleine in diesen beiden Bereichen ins Ausland ab. Dagegen ist der Bau des neuen Gotthard Strassentunnels mit rund 2 Mia. budgetierten Kosten ein Taschengeld.

Im Wahlkampf der Nationalrats- und Ständeratswahlen ist Digitalisierung kein Thema, selbst die Piratenpartei äussert sich nicht zur digitalen Unabhängigkeit. Immerhin haben die USA und die EU das Thema in den letzten Monaten wieder auf die Agenda geholt, sie beginnen nach und nach Schlüsseltechnologien wieder ins eigene Territorium zu holen. Kürzlich wurde in Irland die modernste Halbleiterfabrik eröffnet und auch Deutschland möchte mit Intel wieder Chips im eigenen Land produzieren. Diese Entwicklung sollte auch die Schweiz nicht verschlafen und möglichst bald die Sache an die Hand nehmen. Mit TWINT haben die Banken in seltener Einheit immerhin ein erfolgreiches Zahlungssystem etablieren können.

Abhängigkeiten reduzieren

Dass wir als kleines Land immer in einer Abhängigkeit vom Ausland stehen, lässt sich nicht verhindern, allerdings könnte man diese reduzieren und Innovationen im eigenen Land wieder vermehrt fördern. Dazu einige Vorschläge im Schulbereich:

  • Es braucht nicht jeder Kanton und möglicherweise noch jede Gemeinde eine eigene Schulverwaltungslösung. Würde man sich auf einheitliche Abläufe in der Verwaltung einigen, könnten enorme Summen eingespart werden, welche in echte Innovationen zur Digitalisierung fliessen könnten.
  • Für viele kommerzielle Produkte gibt es gute Open-Source Alternativen, mit einem Teil der ersparten Lizenzen könnte man diese fördern und Funktionen entwickeln, die den Anforderungen der Nutzer gerecht werden.
  • Die Schweiz ist mit ihren Universitäten und Fachhochschulen weltweit führend. Weshalb nicht Jointventures mit Schulen und Gemeinden eingehen und Anwendungssoftware entwickeln?
  • Die Schweiz hat die grösste Dichte von Stiftungen pro Einwohner weltweit. Schweizer Stiftungen verwalten 100 Milliarden Franken Vermögen. Wie viel davon fliesst in die Weiterentwicklung von heimischer Software?
  • Vorgaben für Projekte müssen realistisch bleiben. Die krachende Niederlage der Stadt Bern mit Open-Source in den öffentlichen Schulen ist nur ein Beispiel von völlig unrealistischen Ideen. Ipads von Apple mit Open-Source zu kombinieren, war völlig illusorisch. Apple ist die geschlossenste Plattform, die man sich vorstellen kann.

Fazit

  • Softwarelizenzen sind für die Teuerung mitverantwortlich und verursachen enorme Kosten.
  • Abhängigkeiten von wenigen systemrelevanten Produkten machen die Schweiz erpressbar.
  • Das Auslagern von Softwareprodukten zu riesigen Cloudanbietern bieten kurzfristige Einsparungen, aber langfristige Abhängigkeit.
  • Der Begriff der digitalen Souveränität ist in der Politik und der Gesellschaft noch nicht angekommen und wird nicht als prioritär bewertet.
  • Dependenz von Produkten wird in Schulen mit dem Einsatz von Office-Software langfristig zementiert.

Quellen

Schweizerische Nationalbank Tabelle: https://data.snb.ch/de/topics/aube/cube/bopserva?fromDate=2012&toDate=2022&dimSel=D1(DT,V,F,L,TCI,FE),D2(S),D0(EU,VS,C1,I3,J)

Golem.dehttps://www.golem.de/news/open-source-in-der-verwaltung-wenn-alle-gewinnen-nur-microsoft-nicht-2309-177352.html (paywall)

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